Rom sehen und verrckt werden (Zrich , NZZ Online)Reisen bildet, sagt man, Reisen erweitert den Horizont, macht Spass, entspannt. Dabei ist Reisen hochgefährlich. Ganz abgesehen von den gesundheitlichen Risiken, den Unfallgefahren und der Möglichkeit, einem Bombenattentat zum Opfer zu fallen oder entführt zu werden, setzt sich der Reisende einer hohen und gemeinhin unterschätzten Wahrscheinlichkeit aus, verrückt zu werden. [...]
Sehr gefährlich sind auch Kulturreisen, vor allem nach Italien. Für das Krankheitsbild, das mit übermässigem Kunstgenuss in Rom oder Florenz verbunden ist, hat sich in der Fachwelt der Begriff «Stendhal-Syndrom» eingebürgert. Stendhal, der spätere Autor von «Rot und Schwarz», reiste 1817 als 34-Jähriger nach Italien, wo er beim Anblick all der Gräber, Kirchen, Gemälde und Fresken in eine überwältigende Ekstase geriet, der jedoch ein völliges Versiegen der Lebenskraft, ein «Nervenanfall», wie er es in seinen Aufzeichnungen nannte, folgte.