Rom im April 2024

Padre

Dictator
Forum-Sponsor
Stammrömer
Erste Genüsse

Ich öffnete das Fenster, vergessen war die zügige, aber anstrengende Anreise. Meine Blicke schweiften auf die Palmen und Orangenbäume des Klostergartens und weiter über die Dächer von Trastevere. Das Gezwitscher der Vögel und das Schreien der Möwen vermischte sich mit dem für Rom so typischen Geheul der Sirenen. Der Lauf des Tibers ließ sich erahnen und in der Ferne erhoben sich der Aventin und der Monte Testaccio. Die Sonne ergoss die Spitze der Cestius-Pyramide in ein strahlendes Weiß. Ich atmete tief ein. Ich war in Rom. Ich war glücklich.
Ein ähnliches Glücksgefühl muss der Protagonist von Thomas Bernhardts Roman Auslöschung erlebt haben - nur ließ Bernhardt ihn von einem Fenster des Nobelhotel Hassler über die Spanische Treppe auf Rom blicken, während ich bei Ordensschwestern im Stadtteil Monteverde untergekommen war. Dieses erste, schöne Erlebnis sorgte dafür, dass mein innerer Schalter sofort auf den Dolce-Vita- Modus umsprang. Um Dolce Vita zu erleben bedarf es keiner Via Veneto mit Harry`s Bar, Filmstars und Champagner. Die kleine und gemütliche Bar Gli Archi und ein Aperol Spritz an der Via Fratelli Bonnet tat es genauso gut. Reges Treiben herrschte in der Bar und der Barista hatte alle Hände voll zu tun, um die überwiegend englischsprechende Kundschaft zu bedienen. Offenbar waren es Studenten, die diese Bar frequentierten. Die nächste Überraschung erlebten wir, als der bestellte Aperol Spritz serviert wurde. Es war einer der beste Spritz den ich jemals getrunken hatte. Sein Geheimnis ist, das er nicht mit dem üblichen Schuss Wasser gemixt wird, sondern stattdessen mit einen Spritzer Tonic Water verfeinert wird. Lecker! Mein Dolce Vita Feeling erreichte das nächst höhere Level und ich genoss das Leben um mich herum, während mein Begleiter Umberto noch nicht ganz so im römischen Leben eingetaucht war. Wir beschlossen noch einige Kleinigkeiten einzukaufen und harrten dem Höhepunkt des Tages entgegen. Dieser war ein Besuch des Restaurant Il Focolare. Es war uns von früheren Besuchen in bester Erinnerung geblieben und ich konnte es gar nicht abwarten endlich mein römisches Lieblingsgericht serviert zu bekommen. Nach den Fiori di Zucca kamen die Trippa alla Romana auf den Tisch die ganz frisch zubereitet waren und einen leichten Minzduft verströmten. Ich kostete und schwebte im Siebten Himmel! Mir ist schon bewusst, dass dieses Gericht nicht jedermanns Sache ist, und viele finden es einfach nur ekelig, aber für mich ist es ein Hochgenuss.


Beim ersten Probieren kam mir eine kleine Passage aus dem wunderbaren Buch von Hanns-Josef Ortheil Rom. Eine Ekstase in den Sinn. Ortheil beschreibt dort ein Essen, zudem er als junger Student seine Freunde nach Trastevere einlud und wie er sich frittierte Innereien bestellt und sie selig genießt. Dabei wird ihm klar, dass er nun ganz in Rom angekommen ist. Uns war klar, dass wir nur auf Zeit in Rom sein werden und bestellten das Dessert. Wir kannten es von früheren Besuchen: Zuppa Inglese. Am besten beschreibt man es so: eine Mischung aus Tiramisu und Christstollen. Mit Limoncello ging ein wunderbarer Tag zu Ende.
 
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Fortsetzung folgt.
Darauf freue ich mich schon!
Dem schließe ich mich gerne an, mit bestem Dank für den Bericht.

Zudem habe ich - da ja ein wesentliches Element unserer Forums-Informationen besteht aus Nachrichten zu Unterkünften und Futterkrippen ;) - den letztgenannten Sektor schon mal aktualisiert wie folgt:
Aus einem aktuellen Reisebericht:
Höhepunkt des Tages (...). Dieser war ein Besuch des Restaurant Il Focolare. Es war uns von früheren Besuchen in bester Erinnerung geblieben und ich konnte es gar nicht abwarten endlich mein römisches Lieblingsgericht serviert zu bekommen. Nach den Fiori di Zucca kamen die Trippa alla Romana auf den Tisch die ganz frisch zubereitet waren und einen leichten Minzduft verströmten.
Nochmals danke schön für diese aktuellen Informationen. :)
 
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Santa Maria Maggiore

Ein neuer Tag bringt auch neue Herausforderungen mit sich. Die erste war es, eine Wochenkarte für Bus und Metro zu organisieren. Ganz Monteverde schien sich gegen uns verschworen zu haben! Entweder hatten die in Frage kommenden Geschäfte nur Einzelfahrscheine, oder die Wochenkarten waren gerade ausverkauft. Langsam kamen mir Zweifel, ob wir in dieser Woche noch etwas von der Stadt sehen würden? Schließlich begnügten wir uns mit zwei Einzelfahrscheinen und fuhren zum Termini. Diese erste Busfahrt war schon eine kleine Stadtrundfahrt und als der Bus das Kolosseum umrundete und wir die Ströme von Touristen sahen, bereuten wir für einen kleinen Augenblick unseren ruhigen und gemütlichen Stadtteil verlassen zu haben, denn Rom schien voll zu sein – sehr voll! Im Termini wurden wir fündig und erstanden die Wochenfahrkarten. Und weil wir gerade in der Nähe waren, statteten wir Santa Maria Maggiore einen Besuch ab. Wir betraten die Kirche und vergessen war der Stress des Vormittages. In der Cappella Paolina war die Messe gerade zu Ende gegangen und die Gläubigen strömten zurück ins Hauptschiff. Eine gute Gelegenheit um einen Blick in diese wunderschöne Kapelle zu werfen und ein wenig Inne zu halten.


Nach langer Zeit war er plötzlich wieder da, so, als stünde er vor mir: Dieser alte, an Gehstöcken gestützte Mann, der sich nur schleppend fortbewegten konnte und der vor Beginn eines Gottesdienstes die Menschen in Santa Maria Maggiore darauf aufmerksam machte, dass bald eine Heilige Messe beginnen würde. Er brauchte dazu nur zwei Wörter: „La missa“ – und eine kleine Handbewegung die in die Richtung des Geschehens deutete. Es gab kaum einen Besuch von Santa Maria Maggiore, wo mir dieser ältere Herr nicht begegnet wäre. Es schien seine Aufgabe zu sein auf IHN hinzuweisen und das unermüdlich und mit einer großen Hingabe.

Wir setzen ins in eine Bank und jeder für sich hing für sich seinen Gedanken nach. Anschließend gingen wir in die Sistina. Hier schenkten wir dem bronzenen Tabernakel von Ludovico Scalzo unsere ganze Aufmerksamkeit, besuchten anschließend die Krippenreliquie in der Confessio. Zum Schluss „zündeten“ wir vor der Marienfigur Regina Pacis eine Kerze an und dachten an eine verstorbene Reisegefährtin mit der wir viele Male in Rom waren und die Santa Maria Maggiore und besonders diese Mariendarstellung innig geliebt hat.



Da die Metrostation Vittorio Emanuele gesperrt war nahmen wir den Weg durch den Park und gelangten zur Station Manzoni und fuhren von dort aus zur Spanischen Treppe.


Azaleen und Teestunde

Seit ein paar Tagen war die Spanische Treppe mit hunderten von Azaleen geschmückt. Noch war die Blüte recht verhalten, aber ihre sich noch zu entfaltende Pracht ließ sich bereits erahnen und lockte noch mehr Touristen zur wohl schönsten Treppe der Welt. Unser nächstes Ziel befand sich direkt neben der Spanischen Treppe. Babington`s Tea-Rooms. Da Umberto und ich eine Affinität für Großbritannien haben, ist ein Besuch dort mittlerweile zur guten Tradition geworden - und diese müssen bekanntlich gepflegt werden. Wir wurden zu einer älteren Dame platziert und bestellten Tee und Scones.



Wir kamen mit der Dame ins Gespräch und es stellte sich heraus, dass sie aus Salzburg kam und zum ersten Mal in Rom war. Die Dame hatte Schwierigkeiten den römischen Nahverkehr, besonders den Busverkehr zu verstehen. Wir konnten ihr die ein oder andere Frage beantworten und ihr ein paar Tipps mit auf dem Weg geben. Nach der Tee Pause ging es weiter und brachen in Richtung Trevi-Brunnen auf.
 
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Lieber Padre,

wie schön, dass Du uns an deinen Erlebnissen teilhaben lässt!
Reiseberichte sind ja sehr selten geworden hier im Forum, umso mehr freue ich mich, mit dem Bericht eurer Unternehmungen quasi im Nachhinein durch Rom mitgehen zu können!

Liebe Grüße

Angela
 
Im Sog der Touristenströme

Um zu unserem nächsten Ziel zu gelangen, bedurfte es keinerlei Ortskenntnisse. Man musste einfach nur den Strom der Menschen blind folgen. Kurze Zeit später paarte sich das Geraune einer Menschenmenge mit dem Geräusch von sprudelnden Wasser und wir standen auf der Piazza di Trevi und kamen uns wie Sardinen in einer Dose vor. Es war gar nicht so einfach einen Blick auf den Brunnen zu werfen, letztlich konnten wir uns aus dem Gedrängel befreien und gingen um zwei, drei Ecken und fanden uns in einer anderen und vor allem ruhigeren Umgebung wieder. Das eigentliche Ziel war erreicht: Die Citta dell’Acqua oder auch Vicus Capraius. 1999 kam während der Renovierung eines Kinos ein antiker Gebäudekomplex ans Licht. Durch Zerstörung, Plünderung und Brand sind an dieser Stelle im Laufe der Jahrhunderte immer neue Gebäude entstanden. Ich muss gestehen, dass mir es mir schwerfällt solche Ausgrabungen auf Anhieb in Gänze zu erfassen. Nach einer kurzen Wartezeit durften wir die Ausgrabungsstätte betreten und stiegen in die Vergangenheit Roms hinab. Auf Fall jeden ein interessanter Ort, dessen Besichtigung lohnenswert ist.


Wir folgten weiter dem Strom der Touristen und kamen am Hardianeum vorbei und standen kurze Zeit später auf der Piazza della Rotonda. Wenn ich diesen Platz betrete muss ich oft an die unvergessliche Franca Magnani denken und an ihr Buch Rom. Zwischen Chaos und Wunder. Dort schreibt sie unter anderen. „Ich sitze am liebsten in der Mitte des Platzes, auf den Stufen zu Füßen des Brunnens. Ich lasse mich tragen – wegtragen – von meinen Erinnerungen, Empfindungen und Eindrücken, die ringsherum lebendig auftauchen und die Vergangenheit mit Gegenwärtigem verschmelzen.“ Ich weiß nicht, ob Franca Magnani an diesem Nachmittag Freude empfunden hätte, wenn sie auf den Stufen des Brunnens gesessen hätte? Mir persönlich wäre es zu voll und viel zu laut gewesen, um sich wegtragen zu lassen. Ich hätte mir gewünscht, dass die Masse eine Tafel, die an einer der umliegenden Hauswänden eingelassen ist, beherzigt hätte. Sie mahnt zur Ruhe, denn im Pantheon ruhen zwei der italienischen Könige und um ihre Ruhe nicht zu stören, sollte man sich angemessen verhalten. Vielleicht hätte dieses Treiben Franca Magnani gerade gefallen: Das Gedrängel der Menschen, das Stimmengewirr der vielen Nationalitäten - und dass es hauptsächlich junge Menschen waren, die sich auf diesen Platz tummelten. Und jeder Einzelne verschmolz, auf seiner eigenen Weise, beim Anblick des Pantheons für einen winzigen Augenblick mit der großen Weltgeschichte zusammen. Als nächstes stattete ich den marmornen Elefanten von Gian Lorenzo Bernini einen Besuch ab. Das weit geöffnete Hauptportal von S. Maria sopra Minverva verstanden wir als eine Einladung und betraten das Gotteshaus. Das einfallende Sonnenlicht ließ die sonst eher dunklen Gewölbe tief dunkelblau erleuchten und die darauf gemalten Sterne schienen zu funkeln. Unsere Aufmerksamkeit wurde zunächst auf eine „Osterkrippe“ gelenkt, die die Lebensstationen Christi zeigten.


Langsam näherten wir uns dem Hauptaltar und sahen, dass sich hinter ihm eine Reihe von Menschen versammelt hatten die andächtig hinter dem Grab der hl. Caterina von Siena verweilten, dass sich unter dem Altar befindet. Ich gesellte mich zu der Gruppe, die dabei war Fürbitten auf Zetteln zu schreiben. Die Rückwand des Altars war geöffnet und man konnte seine Fürbitte auf der Grabskulptur niederlegen. Ich nahm mir einen Zettel, schrieb eine Bitte auf und legte sie der heiligen Caterina zu Füßen. Für mich war das ein sehr bewegender und spiritueller Augenblick. Nachdem die Seele gestärkt war, verlangte auch der Leib nach seinem Tribut und wir gingen weiter zur Piazza Sant‘Eustachio, kehrten in das gleichnamige Café ein. Der Verkaufsraum duftete herrlich nach frisch gerösteten Kaffee und wir bestellten uns eine Monachella. Übersetzt heißt diese Spezialität junge Nonne und besteht jeweils aus einer Lage Caffé, Schokolade und Sahne. Es gibt nur wenige Cafés die diese Köstlichkeit anbieten, aber die Monachella des Eustachio ist mit Abstand die Beste.


Nach diesem Genuss besuchten wir kurz die Basilika di Sant’Eustachio und gingen weiter in Richtung Piazza Navona. Als wir uns der Kirche San Luigi dei Francesi näherten und sahen, dass sie geöffnet war, gingen wir hinein. Natürlich wollten wir uns vor allem den Matthäuszyklus von Carravaggio in der Contarelli-Kapelle anschauen, aber das war nur von weiten möglich, da eine große Gruppe von Feuerwehrmännern vor den Kunstwerken stand und sie betrachteten. So blieb uns nur der Blick aus der Ferne und wir verließen die Kirche mit dem Gefühl nicht alles optimal gesehen zu haben, dafür aber gut beschützt gewesen zu sein. Am Portal gab es wieder eine gedankliche Begegnung mit jemanden aus meiner römischen Vergangenheit:

Bis vor ein paar Jahren saß immer eine ältere, in Schwarz gekleidete Frau vor San Luigi dei Francesi, ihr Gesicht war größtenteils unter einem Tuch verborgen und man konnte erahnen, dass sie einmal eine sehr schöne Frau gewesen sein muss und bat die Besucher um ein Almosen. Wenn man ihr ein paar Münzen gab holte sie unter ihrem Hocker ein kleines Körbchen hervor in dem sich Heiligenbildchen befanden und forderte dazu auf, eines dieser Bilder zu nehmen. Ich weiß noch, als ich mir ein Bild von Papst Johannes XXIII. nahm strahlte sie sie mich an und sagte: „Il papa buono“. Mit der Zeit folgten noch weitere Bildchen, die alle in meinem Gotteslob einen Platz gefunden haben. Wenn ich es zu Hand nehme und dabei auf eines der Bildchen stoße, denke ich an diese Bettlerin und frage mich dann, was wohl aus ihr geworden ist?

Weiter ging es am Palazzo Madama vorbei zur Piazza Navona. Dass die Piazza auf den Ruinen des Stadions von Domitian errichtet wurde, lässt sich noch gut erkennen. Das im ersten Jahrhundert n. Chr. errichtete Stadion wurde überwiegend für athletische Wettkämpfe genutzt. Die Arena hatte eine Hufeisenform mit einer Länge von 275 Metern und einer Breite von 106 Metern konnte es 30.000 Zuschauer aufnehmen. Im Mittelalter wurde der Platz als Reitschule, für Karnevalsveranstaltungen und als Marktplatz genutzt. Im 15. Jahrhundert wurde der Platz mit Häusern und Palästen bebaut, die teilweise auf den alten Tribünen errichtet wurden und zunehmend wurde die Piazza Navona zum Schauplatz öffentlicher Veranstaltungen und Volksfeste. Im 17. Jahrhundert wurde der Platz von der Familie Pamphili umgestaltet. Papst Innozenz X., ein Pamphili, beauftragte Gian Lorenzo Bernini mit dem Bau des Vier-Ströme-Brunnens, der als Symbol seiner Macht und seines Ruhmes galt. Zudem wurde Francesco Borromini mit dem Bau der Kirche San Agnese in Agone beauftragt, die der Heiligen Agnes gewidmet ist, die hier im 4. Jahrhundert n. Chr. hingerichtet wurde.



Im 18. Und 19. Jahrhundert erlebte die Piazza Navona vielleicht ihren Höhepunkt und entwickelte sich zum öffentlichen „Spielplatz“ der Stadt mit Karnevalsfeiern, Rennen, Jagten und allen möglichen Veranstaltungen. Im Sommer wurden die Abflüsse der Brunnen verstopft und so der Platz geflutet und es fanden Wagenrennen statt oder man schipperte mit Booten auf dem gefluteten Platz herum.



Viel ist nicht von dieser großen Anzahl an öffentlichen Vergnügungen übriggeblieben – nur ein kleiner und überschaubarer der Weihnachtsmarkt. Umberto und ich betraten die Piazza Navona auf der sich viele Touristen befanden und die barocken Bauwerke bestaunten. Sant´ Agnese in Agone hatte noch geschlossen, gerne hätten wir ihr einen Besuch abgestattet. Dafür besichtigten wir die Kirche Nostra Signora del Sacro Cuore. Zu gerne hätte ich mich in den Außenbereich eines der Restaurants gesetzt und einen Aperol Spritz getrunken und den Leuten auf der Piazza einfach nur zugeschaut, aber Umberto war von dieser Idee nicht zu überzeugen. So nachten wir uns weiter auf den Weg. Wir verließen die Piazza Navona am südlichen Ende, überquerten den Corso Vittorio Emanuele II, zogen an Sant´Andrea della Valle vorbei und befanden uns wenig später auf dem Campo dè Fiori. Die Marktleute waren gerade im Begriff ihre Stände abzubauen. Hektische Betriebsamkeit herrschte auf dem Platz. Nur Girordano Bruno stand regungslos auf seinem steinernen Sockel und blickte gleichgültig auf das Treiben Marktleute und Touristen herunter.


Eine Möwe setzte sich auf seinen Kopf, sie hielt Ausschau nach etwas fressbaren und sobald sich die Gelegenheit ergab, stürzte sie darauf und entschwand mit ihrer Beute über den Dächen. Nun war es wirklich Zeit für einen Aperitif und so nahmen wir vor einen Restaurant Platz und orderten einen Spritz. Vor einigen Jahren habe ich mit Begeisterung die Papst-Krimis von Johanna Alba und Jan Chorin gelesen. Die fiktive Pressesprecherin des Papstes, eine Contessa Giulia, wohnt direkt am Campo de`Fiori. In den Büchern wird vor allem der Balkon der Wohnung immer wieder beschrieben. So hielt ich Ausschau nach ihm. Nachdem meine Augen von einem Haus zum anderen gewandert waren, kam ich zu dem Ergebnis, dass nur der Balkon über dem Restaurant Mercato das gesuchte Objekt sein kann. Zu gerne hätte ich an der entsprechenden Tür geklingelt und gefragt, ob ich meinen Aperitif dort trinken könnte? Der Campo de`Fiori ist der einzig größere Platz Roms, der ohne Paläste und Kirchen auskommt. Aber er korrespondiert mit der Kirche Sant´Andrea, deren Kuppel wir von unseren Plätzen gut sehen konnten und mit dem Palazzo Franese, der hinter uns auf der Piazza Franese steht.


Der zentrale Punkt des Campo de`Fiori ist das 1889 errichtete und von Ettore Ferrari geschaffene Denkmal für Giordano Bruno der im Jahre 1600 auf dem Campo als Ketzer verbrannt wurde. Inzwischen war auch der letzte Marktstand abgebaut und die Reinigungswagen der Müllabfuhr säuberten das Pflaster und langsam kehrt etwas Ruhe ein, die aber nicht lange anhalten sollte, denn die Tische der anliegenden Lokale füllten sich mit Gästen, die sich ebenfalls einen Aperitif bestellten oder ein frühes Abendessen einnahmen. Mag die Wohnung von Contessa Giulia noch so reizvoll sein, man wird in ihr wohl nur wenige stille Augenblicke finden. Für uns wurde es auch langsam Zeit aufzubrechen und wir fuhren zu unserer Unterkunft zurück. Das Abendessen nahmen wir im Restaurant Il Cortile dal 1929 in Monteverde ein. Es zeichnet sich durch ein sehr schönes Ambiente und gute und schmackhafte Gerichte aus.
 
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Reiseberichte sind ja sehr selten geworden hier im Forum (...).
Stimmt; und darum danke schön auch von mir.


Ein neuer Tag bringt auch neue Herausforderungen mit sich. Die erste war es, eine Wochenkarte für Bus und Metro zu organisieren.
Da drängt sich mir der Gedanke auf, ob evtl. mittlerweile der analoge Fahrkartenerwerb bereits so weit zurückgedrängt worden sein könnte zugunsten digitaler Optionen, dass derartige Situationen entstehen könnten.

Dessenungeachtet sind natürlich auch eure weiteren Reisebeschreibungen interessant.

Und zum guten Ende dann nochmals eine sehr positive Information zum ÖPNV, nämlich aus Babington`s Tea-Rooms:
Wir wurden zu einer älteren Dame platziert und bestellten Tee und Scones. Wir kamen mit der Dame ins Gespräch und es stellte sich heraus, dass sie aus Salzburg kam und zum ersten Mal in Rom war. Die Dame hatte Schwierigkeiten den römischen Nahverkehr, besonders den Busverkehr zu verstehen. Wir konnten ihr die ein oder andere Frage beantworten und ihr ein paar Tipps mit auf den Weg geben.
:cool:
 
Reiseberichte sind ja sehr selten geworden hier im Forum
Das ist wahr, leider. Um so mehr hoffe ich, das mein Bericht etwas Freude macht.
Da drängt sich mir der Gedanke auf, ob evtl. mittlerweile der analoge Fahrkartenerwerb bereits so weit zurückgedrängt worden sein könnte zugunsten digitaler Optionen, dass derartige Situationen entstehen könnten.
Auf diese Idee bin ich noch gar nicht gekommen, aber das wäre eine einleuchtende Erklärung!
 
Von Präsidenten und Dichtern

Ende der 90er Jahre hatte ich die Gelegenheit an einer Veranstaltung teilzunehmen, auf der dem damaligen Italienischen Innenminister Giorgio Napolitano eine Auszeichnung überreicht wurde. Damals hat mich seine Vita sehr beeindruckt und ich empfand ihn als einen geradlinigen Menschen, der wirklich etwas zu sagen hatte. Seit jener Veranstaltung habe ich den Werdegang dieses Politikers weiterverfolgt. Umso mehr freute es mich, als er Jahre später zum Präsidenten der Italienischen Republik gewählt wurde. Als Giorgio Napolitano im September 2023 verstarb erfuhr ich aus der Presse, dass er auf dem Cimitereo acattolico beigesetzt wurde. Ich nahm mir vor, dass ich während meiner nächsten Romreise sein Grab besuchen werde.

An diesem Morgen war es nun soweit. Mit dem 75er Bus fuhren wir bis zur Cestius-Pyramide. Von dort aus waren es nur wenige Schritte bis zum Haupteingang des Friedhofs. Wir wurden von zwei älteren Herren in Empfang genommen, die in erster Linie freundlich um eine Spende baten, aber Besuchern auch für Auskünfte und Fragen zur Verfügung standen. So erkundigte ich mich nach dem Grab von Präsident Napolitano und einer der Herren begleitete mich dorthin. Ich stand vor einer einfachen, fast schmucklosen Grabstätte, wie sie wohl millionenfach in Italien zu finden ist. Außer dem Namen deutete nur die Inschrift auf dem Stein deutete an, wer hier seine letzte Ruhestätte gefunden hat: „Ein italienischer und europäischer Politiker. Präsident der Italienischen Republik“ und dachte mir: Ja, das passt zu Ihm. Kein Wort zu viel, aber auch keines zu wenig.



Umberto und ich machten einen kleinen Spaziergang über den Friedhof und auf einer Bank vor dem Grab von John Keats setzten wir uns legten eine Pause ein und hatten noch keine Ahnung von den tiefsinnigen Gedanken, die uns in der folgenden Stunde beschäftigen würden. Bis dahin wusste ich über Keats nur, dass er ein englischer Dichter war, der jung in Rom gestorben ist und dass er während seines Aufenthaltes an der Spanischen Treppe wohnte. Die Ode an eine Nachtigall ist das einzige Werk das ich namentlich und nur in Auszügen von ihn kenne. Dank Google zitierte ich einige Zeilen des Gedichtes. Wir fanden sie schon etwas düster. Da weder Umberto noch ich uns wirklich mit der englischen Romantik auskennen, griffen wir zu unseren Smartphones und erweiterten unser Wissen. Wir kamen auf die prüde viktorianische Zeit; mit ihren harten Strafen, gegen Männer die ihre sexuelle Vielfalt auslebten. Wie liberal waren anscheinend dagegen die südlichen Länder. Anbetracht des Ortes auf den wir uns befanden auch auf die Verherrlichung des Todes und seine Sehnsucht nach ihm. Es klingt jetzt wenig angeberisch: Wer sich mit Keats beschäftigt kommt unweigerlich auch auf Frankenstein, Shelly und Lord Byron und auf Joseph Severn zu sprechen. Letzterer liegt neben Keats begraben. Wir verließen den Friedhof und begaben uns zu Metro-Station.
 
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Fortsetzung folgt nach meinem Urlaub in etwa 14 Tagen.
Herzlichen Dank für die bisher schon eingestellten stimmungsvollen Rom-Eindrücke, die auch ich mit Vergnügen gelesen habe. Ich freue mich auf die Fortsetzung und wünsche bis dahin erholsame Urlaubstage!
Reiseberichte sind ja sehr selten geworden hier im Forum, umso mehr freue ich mich, mit dem Bericht eurer Unternehmungen quasi im Nachhinein durch Rom mitgehen zu können!
Angelas Meinung schließe ich mich gerne an (und wünsche auch dir/euch einen schönen Urlaub!).
Es ist jedesmal eine Freude neues vom "alten" Rom zu lesen. Es ist für mich auch schön, nicht nur tatsächlich neue Entdeckungen oder Veränderungen vorgestellt zu bekommen, aber auch zu lesen, dass sogar "alte Rom-Kenner" immer wieder die bekannten Rom-Sehenswürdigkeiten ansteuern und dort noch immer die ganz eigenen stillen "Ecken" für sich entdecken können. Da ist man doch gerne mit dabei im Rom der Insider ;) .
 
Danke für den ersten Teil deines Reiseberichtes, der in Teilen fast poetisch anmutet. Sehr schön geschrieben. Ich freue mich schon auf die Fortsetzung.
 
Es klingt jetzt wenig angeberisch: Wer sich mit Keats beschäftigt kommt unweigerlich auch auf Frankenstein, Shelly und Lord Byron und auf Joseph Severn zu sprechen.
Also da kann aber m.E. von "angeberisch" ;) gar keine Rede sein.
Sondern das ist nun mal ganz einfach so ... wie ja den meisten Fans des cimitero acattolico bewusst sein dürfte (und davon befinden sich ja etliche in unseren Reihen). Hingegen diesen Kommentar finde ich wirklich treffend:
fast poetisch (...). Sehr schön geschrieben.

Auf jeden Fall einer der ganz besonderen Orte in Rom. Darum freut es mich jedes Mal, wenn er mal wieder in einem Reisebericht erwähnt wird. ;)
 
Lieber Padre,
du schreibst so schön, da folge ich gerne deinen Schritten durch Rom und warte geduldig und gespannt auf mehr.


Der zentrale Punkt des Campo de`Fiori ist das 1889 errichtete und von Ettore Ferrari geschaffene Denkmal für Giordano Bruno der im Jahre 1600 auf dem Campo als Ketzer verbrannt wurde.
Immer wenn ich das Denkmal sehe muss ich daran denken, dass Ettore Ferrari seinen Sohn nach Girodano Bruno genannt hat und diesem dann auch ein trauriges Schicksal widerfahren ist. Giordano Bruno Ferrari wurde von den Deutschen Wehrmacht verhaftet und am 24. Mai 1944 im Forte Bravetta erschossen. In der Via Margutta befindet sich eine Gedenktafel.
 
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Lieber Padre

Vielen Dank für den Beginn deines Reiseberichtes, hoffentlich gibt es noch viele Tage mehr , die du uns so schön poetisch aufbereiten kannst.

Keats und Co. sind eine spannende Lektüre, auf die ich auch erst bei einem Besuch auf dem Cimentero acattolico gestossen bin.

Danke, dass du neben den literarischen und anderen Begegnungen auch die kulinarischen Erlebnisse uns mundgerecht vorbereitest und dankenswerterweise auch die Namen der Lokale nennst. Vielleicht werde ich mal auf deinen Spuren wandeln und essen.;)
 
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